Unsichtbaren Leistungen auf der Spur

Nachhaltige Entwicklung braucht Anerkennung der Nachhaltigkeitsleistung!

Ein Großteil der Nachhaltigkeitsleistungen, die landwirtschaftliche Betriebe mit viel Aufwand erbringen, bleibt für die Öffentlichkeit unsichtbar. Mit der Einführung der Regionalwert-Leistungsrechnung macht eine ganze Gruppe von Bio-Unternehmen diese Leistungen sichtbar und bewertbar. Dies ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass Finanzmittel künftig an die richtigen Stellen fließen, um die Landwirtschaft nachhaltig zu transformieren – sei es beim Produktkauf, bei der Kreditvergabe oder in der Steuer- und Subventionspolitik.

Podcast-Folge vom 14.03.2024

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Einsatz für unsere Lebensgrundlagen

Blühstreifen für Insekten, abwechslungsreiche Fruchtfolgen für die Bodenfruchtbarkeit, Tier-, Natur- und Wasserschutz – als Treuhänder:innen unserer Kulturlandschaft investieren Höfe und Gemüsegärtnereien viel Zeit und Geld, um diese und viele andere Nachhaltigkeitsleistungen zu erbringen und unsere Lebensgrundlagen zu sichern.

Nachhaltigkeitsleistungen nicht angemessen entgolten

Damit handeln sie ganz im Sinne des Strategieplans der Bundesrepublik zur GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der EU) für eine nachhaltige Landwirtschaft. Allerdings bleiben die meisten ihrer Zusatzleistungen für die Öffentlichkeit unsichtbar und werden auch nicht angemessen entgolten – weder durch Produktpreise noch durch Agrar-Subventionen, die bislang v.a. flächenabhängig sind.

Wenn die politisch gewollte Transformation unseres Agrar- und Ernährungssystems gelingen soll und wir das von der Bundesregierung gesteckte Ziel von 30% Ökolandbau bis 2030 erreichen wollen, muss sich daran etwas ändern.

Dass Nachhaltigkeitsleistungen der Landwirtschaft sichtbar werden, ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass sie auch entgolten werden. Nur dann kann das Geld an die richtigen Stellen fließen, um die notwendige Transformation hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft in Schwung zu bringen.Volker SchwarzGeschäftsführer der BODAN GmbH

Wir machen Nachhaltigkeitsleistungen sichtbar

Ein Online-Tool und 300 Kennzahlen

Gemeinsam mit Partner-Unternehmen von Lieferantenseite setzt sich BODAN dafür ein, die Nachhaltigkeitsleistungen von Bio-Höfen und -Gärtnereien sichtbar zu machen. Dazu arbeiten die Beteiligten mit Expert:innen für Nachhaltigkeits-Buchhaltung zusammen.

„Die Regionalwert Leistungen bei Freiburg hat ein leicht handhabbares Online-Tool entwickelt, mit dem Landwirt:innen anhand von etwa 300 Kennzahlen ermitteln können, welche Zusatzleistungen sie in den Bereichen Ökologie, Soziales und Regionalökonomie für das Gemeinwohl und die Umwelt erbringen“, erklärt Jasmin Meyer, Nachhaltigkeitsmanagerin bei BODAN.

100 Lizenzen für Partner-Betriebe

100 Lizenzen für die Regionalwert-Leistungsrechnung hat BODAN 2022 erworben, um sie Anbaubetrieben aus der eigenen Lieferkette zur Verfügung zu stellen – direkt oder über Hersteller-Partner.

„Mit unserer Initiative wollen wir Transparenz schaffen und einen spürbaren Impuls dafür setzen, dass die Leistungen der Landwirt:innen fürs Gemeinwohl sichtbar und anerkannt werden“, erklärt BODAN-Geschäftsführer Volker Schwarz. „Denn wenn viele Unternehmen mitmachen, können wir gemeinsam eine starke Stimme bilden“, so Schwarz.

Mehr als 350 Bio-Höfe haben ihre Nachhaltigkeitsleistungen schon berechnet

Als Pilot-Partner von BODAN haben sich die Bohlsener Mühle, Höfe aus dem Netzwerk ‚WIR. Bio Power Bodensee‘, Barnhouse und Beutelsbacher beteiligt. In der 2022 gestarteten Pilot-Phase des ‚BODAN-Konvois‘ haben zunächst 32 landwirtschaftliche Betriebe aus dem Umfeld dieser Partner die Leistungsrechnung durchgeführt.

Weitere Bio-Betriebe (z.B. EVG Landwege und Neumarkter Lammsbräu) sind auf eigene Faust oder im Rahmen anderer Initiativen aktiv geworden.„Insgesamt wurde die Regionalwert-Leistungsrechnung bis August 2023 von über 350 Bio-Höfen und -Gärtnereien für mindestens ein Geschäftsjahr durchgeführt“, berichtet Chrisabella Rappold von Regionalwert Leistungen.

Pilot-Partner im BODAN-Konvoi zur Regionalwert-Leistungsrechnung

  • BODAN Großhandel für Naturkost

    Seit über 35 Jahren versorgt BODAN selbstständige Hof- und Naturkostläden mit Bio-Waren – von frischem Obst und Gemüse über Fleisch-, Käse- und Molkereiprodukte bis hin zu Kosmetik. Unser Pioniergeist ist dabei heute lebendiger denn je.
    Mit dem Ziel nachhaltige Wertschöpfungskreisläufe partnerschaftlich zu gestalten, verbinden wir Akteure vom Acker bis zum Teller. Als Öko-Großhändler transportieren wir nicht nur ihre Waren. Wir sind auch Werte-Botschafter und Entwicklungspartner – für Lieferant:innen, Kund:innen und Regionen.

    www.bodan.de
  • Regionalwert Leistungen

    Die Regionalwert Leistungen GmbH hilft Landwirt:innen, ihre Nachhaltigkeitsleistungen sichtbar zu machen. Das Ziel: Die Transformation zu einer nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft. Sie stellt Instrumente bereit, die es landwirtschaftlichen Betrieben ermöglichen, ihre Leistungen für Umwelt, Gesellschaft und die Region vollständig zu dokumentieren und eine finanzielle Wertschätzung einzufordern. Gleichzeitig können die die Instrumente Verarbeiter:innen, Großhändler:innen, Agrarberater:innen und Banken Einblicke geben in das Wirtschaften ihrer Lieferant:innen bzw. Kreditnehmer:innen, um herauszufinden, wie zukunftsfähig und nachhaltig die eigene Lieferkette handelt.

    www.regionalwert-leistungen.de
  • Bohlsener Mühle

    Die Bohlsener Mühle zählt zu den Pionieren der Biobranche. Mit der Übernahme der elterlichen Getreidemühle durch Volker Krause 1979 – dem Mühlensterben zum Trotz – folgte die Umstellung auf 100% Bio. Was ihn schon damals antrieb, ist seither spürbarer Bestandteil der Unternehmensphilosophie: Die Achtung gegenüber der 700 Jahre alten Mühlengeschichte, die Verbundenheit zum eigenen Zuhause und zur Region sowie die Überzeugung, durch nachhaltiges, zukunftsfähiges Wirtschaften Verantwortung zu übernehmen und Wertvolles zu schaffen. Dieser Wertekanon hat Mathias Kollmann, der 2019 in die Geschäftsführung eingetreten ist, von Anfang an überzeugt. In enger Abstimmung mit dem Gründer führt er den Bio-Getreidespezialisten in die Zukunft. Die knapp 300 Mitarbeiter:innen des mittelständischen Unternehmens arbeiten gemeinsam für mehr Vielfalt auf dem Acker und auf dem Teller.

    www.bohlsener-muehle.de
  • Barnhouse

    Gegründet im Jahr 1979 gehört Barnhouse zu den deutschen Bio-Pionieren. Damals erschufen die beiden Gründer KRUNCHY, das weltweit erste Bio-Knuspermüsli – heute ein moderner Markenklassiker, der in der ganzen Welt treue Fans hat. Was in den Anfangszeiten noch in Handarbeit hergestellt wurde, läuft heute am Firmensitz im oberbayerischen Mühldorf, ca. 80 km östlich von München, über moderne Backstraßen. Ca. 90 Mitarbeiter:innen produzieren verschiedenste Sorten Krunchy und andere Müsli-Spezialitäten – ausschließlich in Bio-Qualität. Krunchy ist unter barnhouse.de/shop und im Naturkostfachhandel sowie zum Teil auch im Lebensmitteleinzelhandel erhältlich.

    www.barnhouse.de
  • 77 HUBE | Netzwerk WIR. Bio Power Bodensee

    Nachhaltige Wertschöpfungskreisläufe rund um werthaltige Lebensmittel auf- und auszubauen, um die Region für die Zukunft stärken, ist ein Kernziel des Netzwerks ‚WIR. Bio power Bodensee‘, das Bio-Höfe aus der Bodenseeregion 2015 mit dem regionalen Öko-Großhändler BODAN ins Leben gerufen haben. Teil des Netzwerks sind auch die acht Demeter-Höfe der Erzeugergemeinschaft ‚77 HUBE‘. Gemeinsam mit den von BODAN belieferten inhabergeführten Bioläden verbindet das WIR. Netzwerk Akteur:innen vom Acker bis zum Einkaufskorb und strebt dabei Verbindlichkeit und Kontinuität in der Zusammenarbeit an. Mit der Entscheidung für WIR. Produkte stärken Konsument:innen eine Landwirtschaft der Vielfalt und die regionale Lebensmittel-Souveränität – mit partnerschaftliche Züchtungs-, Produktions- und Handelsstrukturen, hofnaher Verarbeitung und kurzen Transportwegen.

    www.wir-bodensee.bio

Win-Win-Situation: Nutzen für Landwirtschaft und Handel

Für Jasmin Meyer schafft die Berechnung der Nachhaltigkeitsleistungen eine Win-Win-Situation: „Wir als Öko-Großhändler begreifen es als eine unserer Aufgaben, Wissen zu generieren über die Nachhaltigkeitsleistungen im gesamten Wertschöpfungskreislauf. Aus der Leistungsrechnung erhalten wir und unsere Herstell-Partner konkrete Werte von Lieferbetrieben, die auch in unsere nächsten Gemeinwohl- und Nachhaltigkeits-Berichte einfließen“, so Meyer.

Für Bäuer:innen und Gärnter:innen – egal ob bio-zertifiziert oder nicht – bietet die Methode einen pragmatischen Einstieg in die Nachhaltigkeits-Berichterstattung.

Sie liefert ihnen wertvolle Daten für die Betriebsentwicklung mit denen sie zugleich gegenüber Banken, Gemeinde oder Kunden darlegen können, wie viel sie in ihre langfristige Produktivität investieren und fürs Gemeinwohl tun.

Aus der Regionalwert-Leistungsrechnung erhalten wir und unsere Herstell-Partner konkrete Werte von Lieferbetrieben, die auch in unsere nächsten Gemeinwohl- und den Nachhaltigkeits-Berichte einfließen.Jasmin MeyerQualitäts- und Nachhaltigkeitsmanagement, BODAN
Wir sehen das, was wir vorher nur vermutet haben, jetzt systematisch erfasst und bewertet. Das stärkt uns in unserer Haltung und in unserer Position.Achim HeitmannDemeter-Landwirt der Erzeugergemeinschaft ‚77 Hube‘ aus dem Netzwerk ‚WIR. Bio Power Bodensee‘

Stimmen von beteiligten Akteur:innen

Nachhaltigkeitsleistungen müssen angemessen entgolten werden

Über 4,6 Mio. Euro im Jahr

Allein die ersten 32 landwirtschaftlichen Bio-Betriebe, die im Rahmen des ‚BODAN-Konvois‘ die Leistungsrechnung durchgeführt haben, kommen in einem Geschäftsjahr in Summe auf eine Nachhaltigkeitsleistung von über 4,6 Mio. Euro (siehe Grafik).

Anstoß zum Diskurs über eine sozial gerechte Finanzierung

Nur im Handel und über die Lebensmittelpreise lassen sich die Kosten für die Zusatzleistungen seiner Einschätzung nach allerdings nicht abdecken: „Hier müssen alle Agierenden Verantwortung übernehmen – Konsumierende, Verarbeitende, Handel und Politik“, ist Damaschun überzeugt.

„Welche Instrumente bei einer sozial gerechten Finanzierung der Nachhaltigkeitsleistungen zum Zug kommen – z.B. am Laden-Regal, in der Steuer- und Subventionspolitik oder bei der Kreditvergabe – darüber muss es einen gesellschaftlichen und politischen Diskurs geben. Unsere Initiative zur Regionalwert-Leistungsrechnung will diesen Diskurs mit anstoßen und eine faktenbasierte Entscheidungsgrundlage bieten“, so Damaschun.

Die Methode: ‚True-Welfare‘ statt ‚True-Cost‘

Die Regionalwert-Leistungsrechnung ist die erste leistungsbezogene Nachweismethode für nachhaltiges Wirtschaften in der Landwirtschaft.

Anhand von etwa 300 Kennzahlen können Landwirt:innen ermitteln, welche Zusatzleistungen sie in den Bereichen Ökologie, Soziales und Regionalökonomie für Umwelt und Gemeinwohl erbringen.

Der Unterschied der Regionalwert-Leistungsrechnung zu häufig diskutierten True-Cost-Ansätzen: Hier werden nicht Schäden beziffert, die durch gängige landwirtschaftliche Praktiken entstehen. Stattdessen liegt der Fokus auf Maßnahmen, die Nachhaltigkeit stärken. Das setzt nicht nur positive Anreize für die Landwirt:innen. Schadensvermeidung ist auch nachhaltiger und günstiger als Schadensbehebung.

Die erfassten Zusatzleistungen werden anhand von tatsächlichen Aufwänden bewertet, gewichtet und am Ende in einem Euro-Betrag für die Nachhaltigkeitsleistung ausgedrückt. Dieser Betrag ist nicht als Rankingwert im Betriebsvergleich zu interpretieren. Vielmehr dient er als Wertvorschlag dafür, was dem jeweiligen Betrieb in irgendeiner Form gezahlt werden müsste, damit er die Nachhaltigkeitsleistung weiter erbringen kann.

Mehr zur Regionalwert-Leistungsrechnung

Nutzen für landwirtschaftliche Betriebe

  • AnerkennungGrundlagen für die Anerkennung der Leistungen durch Politik und Gesellschaft.
  • SelbsterkenntnisFaktenbasierte Darstellung und Bewertung bisher nicht erfasster Nachhaltigkeitsleistungen statt „gefühlsbasierter“ Einschätzung.
  • KommunikationBessere Sprachfähigkeit zu eigenen Leistungen gegenüber Stakeholdern wie Kund:innen (z.B. Preise), Banken (z.B. Risiko-Einschätzung und Kreditkonditionen), Gemeinden (z.B. Verpachtung von Land) und Politik (z.B. Subventionen und Steuern).
  • BetriebsentwicklungVerbesserungspotenziale erkennen, Wirkung von Maßnahmen überprüfen, Entwicklung beobachten.
  • Nachhaltigkeits-BerichterstattungPragmatischer Einstieg in die Nachhaltigkeits-Berichterstattung mit überschaubarem Aufwand.
  • Künftige NachweispflichtenGute Vorbereitung auf kommende Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit von Seiten der EU.